Stammhaus der Tengelmann-Gründerfamilie Schmitz-Scholl (1867) in der VILLA ARTIS in der Ruhrstraße 3 in Mülheim

Was bleibt ist ein Denkmal

Imposantes Tor und Basilisken am Giebel kennzeichnen die VILLA ARTIS in Mülheim

Nach Umbau des Tengelmann-Konzerns und dem Verkauf dessen Betriebsgeländes WISSOL in Mülheim Speldorf im Jahr 2020  tritt das historische Stammhaus von 1867 des Familien-Konzerns in der Ruhrstraße 3 wieder ins Rampenlicht – dank Denkmalschutz darf es nicht abgerissen werden – ein Industriedenkmal, das vom einstigen Unternehmerpioniergeist in Mülheim an der Ruhr geprägt ist.

Das historische Stammhaus der Tengelmann-Gründerfamilie, die Villa Schmitz-Scholl in der VILLA ARTIS in der Ruhrstraße 3 ist ein Kleinod in der Stadt am Fluß.

Heute dient das weitläufige Anwesen den „Schönen Künsten“ mit einem Kunstmuseum im Aufbau, mit einer Kunstgalerie und Atelierwohnungen.

Logo der VILLA ARTIS MÜLHEIM AN DER RUHR(straße 3)

Wie fing alles an?

Mit der Industrialisierung wuchs die Stadt Mülheim an der Ruhr schnell – nahe an der Ruhr und dem alten Kohlenhafen bauten die Mülheimer ihre Stadt auf – so entstanden im Bereich Delle und Ruhrstraße zahlreiche freistehende Villen, aber auch Fabriken am sogenannten Fabrikkanal, der von der Ruhr abgezweigt die Troost’sche Weberei und weitere Betriebe mit „Wasserkraft“ versorgte. Die Bürgergesellschaft CASINO baute 1842 an der Delle ihr Ballhaus mit Clubräumen , Kegelbahn und Weinkeller.

Fabrikkanal – Energie für die aufkeimende Wirtschaft

Die ursprünglich um 1840 errichtete freistehende VILLA ARTIS in Ruhrstraße 3 der wurde zunächst als Wohn- und Kontorhaus mit Kolonialwarenlager durch Johann Wilhelm Meininghaus (1790–1869) und seine Frau Henriette geb. Troost (1796–1876) geprägt, die diesen Besitz 1856 mit Ludwig Lindgens (1824–1910) tauschten.

Wilhelm Schmitz-Scholl kannte das Haus gut, da er mit 15 Jahren  dort als Lehrling beschäftigt war.

Später wohnte und arbeitete die Familie Louise Scholl und Wilhelm Schmitz – später Schmitz-Scholl zusammen mit Ludwig Lindgens in dem Haus an der Ruhrstraße 3.  Als Lindgens seine spätere Frau Gertrud Rühl (1937-1897) kennenlernte zog dieser aus. 

Wilhelm Schmitz–Scholl erwarb den Besitz sodann für 5000 Taler. Von seinen fünf Kindern soll sich später Wilhelm (1861–1927) um das Anwesen in der Ruhrstraße 3–5 gekümmert haben. Später wohnte Wilhelm (1861–1927) in der Ruhrstraße 32.

Basilisk am Giebel der VILLA ARTIS (Foto: Dr. Jochen zur Mühlen)

Nach Auszug der Familie Schmitz-Scholl wurde von Baumeister Ernst Niebel für den Mülheimer Industriellen Carl Nedelmann (1867–1947) das Haus zusammen mit der Errichtung der sog. Villa Nedelmann an der Delle Nr. 50 neben dem historischen Gebäude der Mülheimer Casinogesellschaft in der Ruhranlage die VILLA ARTIS erneut umgestaltet, insbesondere der Stuck an der Fassade wurde nunmehr der Villa Nedelmann (1960 abgerissen, heute Parkplatz CASINO) angepasst.

Der Metallwarenhändler Oskar Natorp war der nächste Eigentümer, der weitere Umbauarbeiten vornehmen ließ. Fest steht danach, dass später Gebäudeteile abgerissen wurden bzw. mehrfach überformt wurden und sämtliche zunächst freistehenden Villen in der Ruhrstraße 3 bis 9 miteinander verbunden wurden.

Nur wenige Häuser blieben nach dem Bombenangriff am 26. Juni 1943 erhalten.

Wie durch ein Wunder wurden diese Häuser und das CASINO-Gebäude beim Bombenangriff auf die Stadt Mülheim am 23. Juni 1943 verschont, während die Villa Nedelmann schwer beschädigt wurde. Carl Nedelmann bemühte sich verzweifelt, die imposante Villa wieder aufzubauen, jedoch versagte die Stadtverwaltung Mülheim ihm diesen Wunsch, da das Grundstück in den Innenstadtpark mit der Bezeichnung „Ruhranlage“ eingegliedert werden sollte. Nur eine Teil der Außenmauer der Villa Nedelmann ist an der Delle 54 -60 heute noch erhalten wo sich heute das „Amt für weiterbildende Fantasie“ befindet.

Die Villa Ruhrstraße 1 wurde im Jahr 1955 abgerissen, um dem neuen viergeschossigen Verwaltungsgebäude der damaligen Gesellschaft für Stromwirtschaft (GfSt) zu weichen. Dieses Gebäude wurde im Jahr 2014 ebenfalls unter Denkmalschutz gestellt. Bis 2012 war das Verwaltungsgebäude mit der Villa Schmitz-Scholl über das Treppenhaus verbunden. Der Zugang wurde zugemauert und ist heute noch zu erkennen.

1956: Fertigstellung VerwaltungsgebaeudeDelle 50-52 seit 2017 Baudenkmal Foto: Archiv Mülheimer Kunstverein KKRR
Durch den Eingang des Verwaltungsgebäudes der GfSt an der Delle 50-52 erreichte man das Treppenhaus der Villa Schmitz-Scholl (Foto aus dem Jahr 1956, Archiv KKRR)

Am 19.10.1987 wurden das gut erhaltene gesamte Ensemble Ruhrstraße 3 bis 9 unter Denkmalschutz gestellt.

Kulturort VILLA ARTIS – seit 2012

Logo MMKM – Museum Moderne Kunst Mülheim
Seit 2012 ist das Kulturmuseum Mülheim in der VILLA ARTIS beheimatet – hier die zur Ruhr hin gewandte Fassade, ursprünglich mit einer Turmspitze auf dem Erker versehen.

Seit 2012 wird die VILLA ARTIS als KunstmuseumKunstgalerie, Atelier- und Wohnhaus u.a. von örtlichen Kunstvereinigungen genutzt. Ein großer Galeriehof wird u.a. für Veranstaltungen und Ausstellung von Skulpturen genutzt.

Veranstaltung im Galeriehof der VILLA ARTIS in Mülheim im Jahr 2019
HA SCHULT „Memorial des Medienumbruchs“ 2020 im Galeriehof der VILLA ARTIS (Foto: Ivo Franz)

Zu der ungewöhnlichen Jugendstilarchitektur der VILLA ARTIS wird von Roland Günter in seinem Buch Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes in Bezug auf das markante Eingangsportal an der Ruhrstraße 3 auf das Portal der Londoner Whitechapel Art Gallery von Townsend hingewiesen. An der Hauptfassade sind im Giebelbereich Basilisken, Schlangen und Insekten dargestellt. An der zur Ruhr gewandten Rückseite wurde ein Erker mit Zwiebelturm angebaut. Das Treppenhaus wurde mit einem Glasdach gestaltet.

Historische Aufnahme der Delle und Ruhrstraße in Mülheim mit VILLA ARTIS (zeitweise Schmitz-Scholl) und VILLA NEDE´LMANN

Verfasser: Alexander-Ivo Franz, Kunststadt Mülheim an der Ruhr im Juli 2020

Quellen:  Archiv des Mülheimer Kunstvereins – KKRR, Stadtarchiv und Katasteramt der Stadt Mülheim, Aufzeichnungen der Familie Nedelmann, Archiv im Tengelmann-Museum Mülheim, GUM – Gründer- und Unternehmer Museum Mülheim

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